Hochsensibilität: „Fluch oder Segen“
Nach dem erfolgreichem ersten Get-Together im Februar folgte unser 2. Fachaustausch mit Prim. Prof. Dr. Martin Aigner im Universitätsklinikum Tulln am 12.06.2019. Die enorme Hitze wurde als grenzwertig wahrgenommen und doch schafften es zahlreiche Interessierte in den Seminarraum. Die Themen aus dem Blitzlicht der ersten Tagung haben gezeigt, dass es unbedingt mehr Wissenswertes über die Eigenschaften der Hochsensibilität und deren Auswirkungen bedarf. „Ist Hochsensibilität ein Fluch oder ein Segen, und macht hochsensibel zu sein krank?“
Der erlebnisreiche Nachmittag startete mit sehr persönlichen Worten und Lebenseinsichten des Autors und Musikers Chris Novi und seiner anschließenden gefühlsbetonten und audiovisionären Lesung vom „Highly Sensitive“. Inhaltlich ging es um einen Hochsensiblen Menschen, der den Fluch seiner Feinfühligkeit und die sensiblen Antennen seiner Sinne an Leib und Seele ertragen musste und erkrankte. Der Segen seiner Sensibilität stellte sich jedoch ein, als er das Wissen über Hochsensibilität erlangen durfte und damit sein Weg in die Heilung begann.
Den zweiten Part eröffnete Frau Ma. Sabine Knoll, Gründerin von „hochsensitiv.netzwerk von hsp für hsp“ mit einer Mischung aus dem Erfahrungsschatz ihrer Hochsensitivität, wissenschaftlichen Berichten und einigen guten Tipps. Besonders hilfreich wurde empfunden, dass gute Nahrung, Bewegung und guter Schlaf individuell jeder für sich erforschen darf. Es muss also nicht dieser Entweder-Oder-Ratschlag sein, sondern gerne auch das individuelle Erlebte. Verwurzelte Erdung und spürbare Verbindung nach oben bestimmen den Menschen als Mittelpunkt eines wirkungsvollen Bindegliedes. Statt Fluch oder Segen spricht Frau Mag. Knoll lieber von Gabe oder Bürde und hat dazu auch eine Arbeit verfasst, die an die Besucher verteilt wurde.
Der Dritte im Bunde der Fachvorträge war Herr Georg Parlow, international anerkannter HSP-Experte, Autor und Obmann des Vereins „zartbesaitet“. Er bereicherte die Runde mit viel wissenschaftlichen Fakten und Zahlen und zwischendurch mit berührenden persönlichen Erlebnissen. Seine Aufklärung ging über die angeborene HS als auch über die erworbene HS bis hin zur Vulnerabilität, die er selber meist nicht als pathologisch empfindet. Er spricht über eine Studie, die eindeutig belegt, dass Hochsensible Menschen ein erhöhtes Risiko einer psychischen Krankheit haben. Besonders beeindruckt hat der Erfahrungsbericht von gehemmten Kindern und von Babys, die gleich nach der Geburt schon viel reizoffener sind.
Diese drei ausdrucksstarken Fachvorträge wurden im anschließenden Workshop besprochen und die mögliche Tatsache, inwieweit Hochsensibilität mit psychischer Krankheit zu tun hat, wurde rege diskutiert. Das Fazit der im Plenum präsentierten Arbeiten war eindeutig. Ein HS kann psychisch erkranken, muss es jedoch nicht, und ein psychisch Kranker kann HS sein, muss es jedoch nicht. Es geht also in Wirklichkeit um das Sowohl-als-auch. Für einen Hochsensiblen ist es empfehlenswert, sich selber zu kennen und um die Sonnen- und die Schattenseiten seiner Gabe zu wissen. Ein Perspektivenwechsel von Fluch oder Segen hin zu Fluch UND Segen. Sowohl als auch. Beides hat Berechtigung. Jede Medaille hat ein Hinten und ein Vorne. Alles hat Vor- und Nachteile.
Die Vielfalt der Teilnehmer aus verschiedensten Berufen und Schichten gaben der Veranstaltung wieder eine besondere Note. Werkschätzung und Akzeptanz prägte den Nachmittag und Zeit für Austausch und Vernetzung wurde sehr sinnvoll genützt. SAG7 ist zu tiefst dankbar und glücklich, mit dem Universitätsklinikum so einen wertvollen Partner an der Seite zu haben und so liebevolle und interessierte Gäste und Vortragende in diesem Rahmen begrüßen zu dürfen.
Foto von links nach rechts: Prim.Prof.Dr. Aigner, Mag. Sabine Knoll, SAG7 Obfrau Karin Novi, Georg Parlow, Chris Novi